STADTENTWICKLUNG: Erfolgreich angebaggert
Eine Gartenkolonie in Ku'dammnähe muss weichen, weil der Liegenschaftsfonds das Gelände verkauft. Der Investor darf das grüne Idyll plattmachen - obwohl er nicht bezahlt.
Jahrelang haben sie gekämpft - letztlich vergebens: Die Kleingärtner der Laubenkolonie an der Württembergischen Straße mussten ihr Gelände räumen. Anfang des Monats wurde die 90 Jahre alte Kolonie an einer Seitenstraße nahe dem Kudamm von Baggern zerstört - im Auftrag des potenziellen Investors. Doch der hat, wie sich jetzt zeigt, noch nicht mal den vollen Kaufpreis für das Gelände bezahlt.
Verkäufer des Geländes ist der Liegenschaftsfonds, der im Auftrag des Senats landeseigene Immobilien auf den Markt bringen soll. Eine schnelle Bezahlung des Grundstücks war dem Fonds bisher sehr wichtig gewesen. Angeblich deshalb mussten die Kleingärtner so schnell ihre Parzellen räumen. Denn erst dann ist der Investor vertraglich in der Pflicht, das Geld für das Grundstück umgehend in Gänze zu überweisen. So steht es in dem Kaufvertrag mit der Firma Capricornus/Bauwert aus dem Jahr 2007. Der Liegenschaftsfonds drohte deshalb den widerspenstigen Laubenpiepern trotz noch laufender Gerichtsverfahren mit Schadenersatzforderungen. Täglich würden dem Land mehrere hundert Euro Zinsen aufgrund des unbezahlten Kaufpreises entgehen. Die Drohung zeigte Wirkung: Ende November gab der letzte Gärtner seinen Schlüssel ab.
Seitdem scheinen die entgangenen Zinsen dem Fonds nicht mehr so wichtig zu sein. Bei der Finanzierung des Grundstücks lässt er dem Käufer sehr viel Zeit. Er kommt ihm sogar ungewöhnlich weit entgegen. Mit "bauvorbereitenden Maßnahmen" - im Klartext: die ökologisch bedeutsamen Grünanlagen wurde mit Baggern planiert - durfte er schon vor Bezahlung auf dem Grundstück anfangen. "Eine vorübergehende Nutzung" ist vereinbart worden, bis der Käufer zahlt. Zwar erfolge "in der Regel die Übergabe des Grundstücks erst nach der Zahlung des Kaufpreises", räumt der Liegenschaftsfonds auf Anfrage ein. In diesem Fall verliefe es aber anders. Wie genau - das sei Geschäftsgeheimnis.
Immerhin habe Bauwert, der neue Gesellschafter des ursprünglichen Investors Capricornus, die "geforderte Finanzierungsbestätigung" erbracht, versichert die Pressestelle des Liegenschaftsfonds. Der Kaufpreis sei in zwei Raten fällig: Die erste sei bereits beglichen worden, die zweite "in Kürze" fällig. Größenordnungen und Zeitpunkte wollte man nicht verraten.
Offenbar handelt es sich bei der offenstehenden Rate um eine siebenstellige Summe. In den von den Kleingärtnern gegen die Räumung angestrengten Prozessen war von einem Kaufpreis von rund 10 Millionen Euro die Rede. Im ursprünglichen Kaufvertrag für das Gelände waren "eine Anzahlung in Höhe von 115.000 Euro" und "eine Entschädigungssumme von 635.000 Euro" für die knapp 50 Kleingärtner vorgesehen. Der Rest sollte nach Räumung der Parzellen - sprich Ende November 2009 - eigentlich fällig werden.
Über ein so unübliches Geschäftsgebaren kann sich der Sprecher der Bürgerinitiative "Gärten retten!", Michael Plassmann, nur wundern: "Wer räumt schon Haus und Hof, bevor das Geld nicht tatsächlich auf dem Konto ist?", fragt der Anwalt. Er hält den Investor für nicht seriös und das Vorgehen des Liegenschaftsfonds für indiskutabel. "Die Tatsache, dass man einem allem Anschein nach nicht solventen Vertragspartner obendrein noch Sonderrechte einräumt, wirft nachhaltige Fragen bezüglich der Seriosität und Professionalität des Liegenschaftsfonds auf." Plassmann bezweifelt, dass der Investor jemals die - laut dessen Pressemitteilung - 85 Millionen Euro für das Großprojekt aufbringen kann, und fürchtet, dass das Gelände zu einer Spekulationsbrache werden soll. Bauwert hat ein Wohngebäude mit einer Fläche von 24.000 Quadratmetern und 210 Wohnungen angekündigt. Anfang 2011 soll Baubeginn sein für dieses angeblich "größte Wohnbauprojekt in Westberliner Toplage".
Auch die Grünen kritisieren das Vorgehen des Liegenschaftsfonds. "Naturschätze und eine innerstädtische Fläche für soziale Interaktion wurden zerstört", erklärt Sibylle Centgraf, grüne baupolitische Sprecherin in Charlottenburg-Wilmersdorf. Mit "vorausschauender Stadtplanung" habe das nichts zu tun.
Seit wenigen Tagen hängen nun Schilder an den Zäunen in der Württembergischen Straße: "Privatgrundstück - Betreten verboten - Liegenschaftsfonds Berlin". Üblich ist es bei Baustellen, dass der Name der bauführenden Firma aushängt, nicht derjenige des bisherigen Eigentümers, auch wenn dieser noch eine Weile im Grundbuch steht. Hat also der Liegenschaftsfonds doch Zweifel, dass Bauwert überhaupt je Eigentümer wird? Die Schilder würden mit der Eintragung des Käufers im Grundbuch weggenommen, hieß es dort. So lange sei man formaljuristisch noch Eigentümer der Fläche.
Nicht nur aus Geldmangel könnte das Gelände längere Zeit brachliegen, sondern auch aus juristischen Gründen. Zwei Verfahren der Anwohner laufen noch: das eine beim Oberverwaltungsgericht gegen das Bebauungsplanverfahren, das andere gegen die Erteilung der Baugenehmigung. Hinter der Normenkontrollklage stehen die Stimmen von 3.000 Anwohnern, die in qualifizierten schriftlichen Eingaben vor allem ökologische und soziale Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Bebauungsplanes vorgebracht hatten. Nicht eine wurde später bei der Festsetzung des Bebauungsplanes berücksichtigt, betont Plassmann. Gewinnen die Bürger, dann wäre die Zukunft des Grundstücks wieder ganz offen.
Seit einiger Zeit bemüht sich der Investor darum, die Kläger mit Geld zu überzeugen, ihre Klagen zurückzuziehen. Der Liegenschaftsfonds findet das "legitim": Der Käufer begehre "Rechtssicherheit zum festgesetzten Bebauungsplan".
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